Page 11 - ITM Jahresbericht 2022
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Aktuelle Forschung – Professur für Textiltechnik





            Nachteilig zum einen ist dabei, dass sich eines Roh-
            stoffstroms bedient wird, der sich bereits in einem
            geschlossenen Kreislaufsystem (PET-Flaschen) befin-
            det. Zum anderen ist ein Zumischen mit virgin PET
            weiterhin notwendig. Folglich besteht die Herausfor-
            derung in der aktuellen Forschung weitere Polymer-
            rezyklatquellen nutzbar zu machen und einer nach-
            haltigen Wertschöpfung zuzuführen.

            Im Compositebereich findet sich ein weiteres inno-
            vatives Anwendungsfeld für Rezyklate als Matrixfa-
            ser für rCF Garne, die in lasttragenden Verbundbau-
            teilen Einsatz finden.

            Insbesondere  auf  Grund  des  hohen  Energiever-
            brauchs  bei  der  Carbonfaserherstellung  (CF:  300-
            800 MJ/kg) und den damit verbundenen hohen CO -
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            Emmissionen sowie hoher Festigkeit und Steifigkeit
            und geringer Materialkosten, stellt die Rückgewin-
            nung von CF von CFK ökonomisch und ökologisch
            einen hohen Stellenwert dar. Um den Einsatz von
            rCF-Produkten  zu  ermöglichen,  ist  es  notwendig,
            eine industriell nutzbare Prozesskette für die Her-
            stellung hochorientierter und schädigungsarmer
            Faserstrukturen aus rCF mit hohem Leistungsver-
            mögen in Composites zu schaffen. Dazu gehören
            die Entwicklung neuer Technologien und Maschinen,
            die schonende Aufbereitung und Verspinnung der
            Fasern sowie die Entwicklung neuer Produktionsver-
            fahren, die es ermöglichen, rCF in einer Vielzahl von
            Endprodukten in hoher Qualität wiederzuverwen-
            den. Ziel ist es, die Eigenschaften der rCF möglichst
            vollständig auszuschöpfen, um so eine nachhaltige
            und kostengünstige Herstellung lasttragender Ver-
            bundbauteile zu ermöglichen.

            Werkstoffliches Recycling von post consu-
            mer Kunststoffen

            Leichtverpackungen aus Kunststoffen ermöglichen
            die handhabbare, sichere und haltbare Verpackung
            von Lebensmitteln und sind ein kaum verzichtba-  Abb. 2: Schmelzspinntechnikum mit modularer Bikom-
            rer Teil der Kunststoffbranche. Für eine leichtere   ponentenschmelzspinnanlage (Fa. Dienes Apparatebau
            stoffliche Verwertung der immer weiter steigenden   GmbH) / Melt spinning pilot line with modular bicomponent
            Mengen an Kunststoffabfällen wurde bereits 1991   melt spinning plant (Dienes Apparatebau GmbH)
            durch  die  dt.  Verpackungsverordnung  das  Duale
            SyStem DeutSchlanD (DSD) eingeführt, dem seit 2009   kostspielige Sortierung, Zerkleinerung, Wäsche, Fil-
            alle in Verkehr gebrachten LVP unterliegen. Die Ent-  tration und Granulierung erfordert. Besonders her-
            sorgung der Verpackungen erfolgt über den Gelben   ausfordernd für ein hochwertiges Recycling ist der
            Sack bzw. die Gelbe tonne, wobei allein in Deutschland   sehr inhomogene Materialstrom, u. a. durch nicht
            über 3.2 Mio. t Kunststoffabfälle [2] verschiedenster   kunststoffliche Fremdstoffe oder unterschiedlichs-
            Art anfallen. Das zweithäufigste Material innerhalb   te Kunststoffmaterialien bzw. -typen. Weiterhin ist
            des DSD ist PP, das bspw. bevorzugt für Joghurtbe-  die Entfernung von Störstoffen und -gerüche sowie
            cher verwendet wird. Dabei ist die stoffliche Verwer-  von  Feuchtigkeit  in  den  Prozessschritten  Extrusi-
            tungsquote bei post consumer Abfällen aus hetero-  on und Filtration entscheidend für die Herstellung
            genen Abfallströmen deutlich niedriger (42 % bei   qualitativ hochwertiger Rezyklate. Die Nutzung von
            Privathaushalten, 34 % bei gewerblichen Verbrau-  recyceltem PP konzentriert sich daher auf Anwen-
            chern) [3] als bei homogenen, sauberen und sor-  dungen mit einer höheren Akzeptanz von Rückstän-
            tenreinen Produktions- (z. B. Anfahrfilamente) und   den und Verunreinigungen wie bspw. im Bausek-
            Verarbeitungsabfällen der Kunststoffverarbeitung   tor (Baufolien, Noppenbahnen, Kunststoffrohre für
            bzw. -produktion (bei Produzenten 68 %, bei Ver-  die Drainage oder den Kabelschutz sowie Entwäs-
            arbeitern 91 %). Die Aufbereitung des entsorgten,   serungsrinnen), Verpackungssektor (Folien, Eimer,
            wertvollen Materials ist sehr aufwendig, da es eine   Schraubdosen, Tragetaschen, Säcke, Paletten, Sham-


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