Page 7 - Forschungsbericht 2021 - Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik
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Umwelt bzw. des verbleibenden globalen Ressourcenpo- Schließlich muss eine leichtbauspezifische Bewertungs-
tenzials zu vermeiden. Wir nennen dieses Ziel „Neutral- metrik aufgebaut werden, welche die Auswirkungen von
leichtbau“. Obwohl dieser Ansatz nach heutigem Ermes- Design, Material und Technologie sowie deren Wechsel-
sen eine Idealvorstellung ist, die mit den Technologien wirkungen entlang des gesamten Lebenszyklus eines
unserer Zeit nur teilweise realisiert werden kann, muss Produktes prognostiziert. Das klassische Life Cycle As-
sie unser Denken und Handeln bestimmen, um zukünftig sessment bietet hier in Kombination mit anderen Bewer-
eine ressourcenneutrale Kreislaufwirtschaft zu erreichen. tungsmethoden gute Ausgangspunkte. Dabei sind die
Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit entsprechender Da-
Das Grundprinzip des Neutralleichtbaus ist die Berück- ten eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des
sichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in allen Ent- Neutralleichtbaus. Eine nationale und letztlich auch inter-
scheidungsstufen entlang der Entwicklungskette eines nationale Harmonisierung von Methoden, Technologien,
Produktes. Dabei muss der gesamte Lebenszyklus des Materialien und Daten muss diesen Prozess deshalb be-
Produktsystems von der Materialbeschaffung bis zum gleiten. Denn nur durch Kooperation und Kommunika-
End-of-Life-Teilemanagement für die jeweilige Produkti- tion lassen sich die komplexen Herausforderungen einer
ons-, Nutzungs- und Verwertungsregion antizipiert wer- globalen Kreislaufwirtschaft bewältigen.
den. Neutralleichtbau reicht somit weiter als eine reine
Ökobilanzierung oder das „Cradle to Cradle“- Prinzip. Aus
dieser Zielsetzung ergeben sich aus heutiger Sicht vier
herausgehobene Handlungsfelder in Forschung und Ent-
wicklung.
Erstens muss ein Entwicklungsprozess implementiert
werden, der den gesamten Lebenszyklus eines Produkts
vorwegnimmt und die Umweltauswirkungen bereits wäh-
rend der Produktentwicklung berücksichtigt. Die Verant-
wortung des Entwicklers endet dabei nicht mehr
beim Übergang des Produktes in die Nut-
zungsphase, sondern reicht weit darüber
hinaus. Es muss ein spezifisches Pro-
duktdesign erarbeitet werden, das eine
lange Produktlebensdauer und eine
Rückgewinnung der produktgebundenen
Ressourcen am Ende der Lebensdauer
ermöglicht und gleichzeitig die wirtschaftli-
chen Randbedingungen in allen Lebensphasen
erfüllt. Um diese komplexe Aufgabe zu realisieren,
müssen die 10 R-Strategien systematisch berücksich-
tigt werden.
Zweitens dürfen zukünftig ausschließlich recycelte bzw.
vollständig rezyklierbare sowie erneuerbare biobasierte
Werkstoffe eingesetzt werden. Der Einsatz von nicht oder
nur schwer wiederverwertbaren Werkstoffen, wie etwa
Faserverbundwerkstoffen oder deren Hybride, muss
künftig entsprechend gut begründet und auch ökono-
misch korrekt in der Gesamtbilanz des Lebenszyklus be-
rücksichtigt werden.
Das dritte Handlungsfeld umfasst die Technologien zur
Herstellung, Reparatur, Wiederaufbereitung und De-
montage von Leichtbauprodukten bis zum Aufschluss
der Hightech-Werkstoffe bei geringem Ressourcenver-
brauch und minimalen Umweltauswirkungen. Hier gilt es
etwa, neue auf regenerativen Quellen basierte Methoden
zur Fertigung zu finden oder Ansätze für den Wiederein-
satz ganzer Baugruppen zu entwickeln. Fahrradgepäckträger aus biobasierten Rohstoffen
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