Page 85 - Forschungsbericht 2021 - Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik
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Auch wenn die Schwerpunkte jeweils etwas anders lie- Auch fehlt den Lehrenden das direkte, ungefilterte Feed-
gen, so zeigen sich in beiden Stellungnahmen doch deut- back einer Präsenzveranstaltung. Ob eine Auflockerung
liche Vorteile der viel gescholtenen digitalen Lehre. Allzeit verfängt, ob eine Wiederholung greift oder wie die all-
verfügbare Lehrvideos etwa sind ein erheblicher Mehr- gemeine Aufmerksamkeit in einer (notwendigen) Aus-
gewinn für beide Seiten. Insbesondere Studierende mit schweifung leidet, erkennt man letztlich nur vor „ver-
geringen Sprachkenntnissen profitieren von der Möglich- sammelter Mannschaft“. Ohne diese Rückkopplung ist
keit, rhetorisch und inhaltlich anspruchsvolle Passagen sowohl die inhaltliche als auch die didaktische Verbes-
einer Vorlesung beliebig oft zu wiederholen. Dazu kommt serung der Lehrveranstaltungen merkbar ausgebremst.
für alle die Flexibilisierung bei der zeitlichen Ausgestal- Insgesamt sind es die „Atmosphäre“ bzw. das „Studi-
tung des Studienalltages. Lehrende können die aufwen- engefühl“, die durch die Digitallehre massiv verändert
dig erstellten Vorlesungsvideos wiederholt einsetzen und und sowohl von Studierenden als auch von Dozent:in-
dadurch das Konsultationsangebot zum Verständnis und nen vermisst werden. „Das Flair der Hochschule geht
zur Vertiefung des Lehrstoffes stärker ausbauen. So las- durch digitale Lehre verloren. Im Sommer die Campus-
sen sich im Vergleich zum regulären Vorlesungsbetrieb Luft zu schnuppern und den Hörsaal zu betreten, fehlt“,
bessere Lehrergebnisse erzielen. haben wir sinngemäß in fast allen Antworten gelesen.
Beiden Parteien ist jedoch schmerzlich bewusst, dass Auf diesen am häufigsten genannten Mangel der Digi-
ausschließlich digital geführte Lehre bzw. reines Fern- tallehre möchten wir von Institutsseite künftig verstärkt
studium den direkten Kontakt unterbindet. So ist die eingehen, indem wir gezielt auf kleine Veranstaltungen
Vereinzelung und Vereinsamung der Studierenden ei- in Präsenz setzen und auch einen außeruniversitären
ner der größten Problembereiche der vergangenen Se- Rahmen, wie etwa Grillabende, Schnitzeljagden, Stamm-
mester, denn es besteht ein ausgeprägter Wunsch nach tische, bieten wollen. Gemeinsam mit den Studierenden
Vernetzung und persönlicher und sozialer Entwicklung müssen wir Erlebnisse schaffen, die positiv im Gedächt-
während der Studienzeit. Die „gesichtslose“ Lehre er- nis bleiben und die Vernetzung beflügeln. Denn die ein-
schwert dabei auch die kurs- und semesterübergrei- prägsamsten und wichtigsten Momente eines Studiums
fende Kommunikation. Die sozialen Einbußen des digi- sind nicht nur die bestandenen Prüfungen, sondern ge-
talen Studiums treffen dabei besonders internationale rade auch die Erlebnisse mit den Kommiliton:innen. Sie
Studierende und Studienanfänger:innen, die frisch nach tragen in besonderer Weise zu einem erfolgreichen Ab-
Dresden ziehen. Nach vier Semestern digitaler Lehre schluss bei und bestimmen wesentlich die Netzwerkbil-
wächst so auf breiter Front die Sorge, dass sich ein per- dung für individuelle berufliche Weiterentwicklung. Das
sönliches Netzwerk nicht in adäquater Form ausbilden scheint vordergründig nicht die Aufgabe der Institute zu
wird, welches Akademiker:innen unter normalen Umstän- sein, wird aber in Zeiten der Pandemie zu unserer neuen
den im Laufe der Studienzeit nebenbei entwickeln und Verantwortung, die wir gern annehmen wollen.
das sie dann häufig ein ganzes Berufsleben lang trägt.
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