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Jahresbericht 2021
Chitin und Chitosan: Biopolymere mit Zukunftsperspektive
Chitin and chitosan: biopolymers with future prospects
I. Kuznik, I. Kruppke, D. Aibibu, Ch. Cherif
Abstract halbkristallinen Struktur verfügt Chitin über eine
stark limitierte Löslichkeit, wodurch die generelle
Chitosan is derived from the renewable raw mate- Weiterverarbeitung des Biopolymers beträchtlich
rial chitin, the second most abundant biopolymer eingeschränkt ist. Deshalb findet das Chitinderivat
in the world. The sustainable natural material from Chitosan eine deutlich breitere Anwendung in der
the skeletons of insects and marine crustaceans Forschung und Materialentwicklung. Chitosan wird
promises a wide range of biomedical solutions due durch die chemische Abspaltung der Acetylgruppen
to its outstanding properties, like biocompatibility, (Deacetylierung) im letzten Produktionsschritt aus
biodegradability, non-toxicity or anti-inflamatory Chitin hergestellt (vgl. Abb. 2). Der Deacetylierungs-
and haemostatic action. At the Institute of Textile grad (DA) gibt dabei an, wie viel Prozent der Acetyl-
Machinery and High Performance Material Tech- gruppen des Chitins abgespalten wurden. Ab einem
nology (ITM) of the TU Dresden, the biopolymer is DA > 50 % wird i. d. R. von Chitosan gesprochen.
converted into biologically pure chitosan filament Neben der chemischen Extraktion kann Chitosan
yarns in a large-scale wet-spinning process, which enzymatisch oder mittels eines Fermentationspro-
can be processed into textile structures such as zesses aus verschiedenen Pilzen und Algen gewon-
nonwovens, knitted or woven fabrics for numerous nen werden. Einen weiteren wichtigen Qualitäts-
applications in biomedicine and tissue engineering. parameter stellt die Kettenlänge des Polymers dar.
a b c
Abb. 1: Chemische Struktur von Cellulose (a), Chitin (b) und Chitosan (c) / Chemical structure of cellulose (a), chitin (b)
and chitosan (c)
Einleitung Hochmolekulares Chitosan (150 – 600 kDa) wird aus
Schalen der Krustentiere extrahiert, während das
Der nachwachsende Rohstoff Chitin ist neben Cellu- niedermolekulare Chitosan aus Pilzmycel eine deut-
lose das am weitesten verbreitete natürliche Biopo- lich geringere Kettenlänge aufweist (1 – 100 kDa) [2].
lymer, von dem schätzungsweise zehn Gigatonnen Sowohl der DA als auch das Molekulargewicht haben
jährlich durch natürliche Biosynthese anfallen [1]. einen großen Einfluss auf die Materialeigenschaften
Chitin kommt in Stützskeletten von Insekten, Krebs- wie die Löslichkeit, die Quellungseigenschaften oder
und Schalentieren sowie in Zellwänden einiger Pil- die Reaktivität der Chitosane. Zusätzlich zu der Her-
ze und Algen vor. In seiner Struktur ähnelt Chitin kunft des Ausgangsmaterials spielen die Kristallini-
sehr stark dem Aufbau von Cellulose, wodurch sich tät sowie der Asche- und Schwermetallgehalt eine
vergleichbare mechanische Eigenschaften beson- wichtige Rolle im Hinblick auf die speziellen Anwen-
ders in Bezug auf das elastische und biegsame Ver- dungen [3].
halten ergeben. Den Unterschied zu Cellulose stellt
eine acetylierte Aminogruppe am zweiten C-Atom Eigenschaften und
des glucosidischen Grundbausteins des Chitins dar Anwendungsmöglichkeiten
(vgl. Abb. 1).
Das Biopolymer Chitin sowie sein Derivat Chito-
Vorkommen und Herstellung san verfügen über herausragende Eigenschaften,
die eine Möglichkeit zur Anwendung in zahlreichen
Der größte Anteil des Rohstoffes entstammt der Gebieten der Industrie, Medizin und Forschung bie-
Fischereiindustrie, bei der Chitin als Abfallprodukt ten. Neben der biologischen Abbaubarkeit sowie
in Form von Krabben-, Shrimps- oder Hummer- Biokompatibilität sind Chitin und Chitosan ungif-
schalen anfällt. In einem komplexen, mehrstufigen tig, bilden keine toxischen Abbauprodukte und sind
Herstellungsprozess werden die Schalen zunächst durch eine antimikrobielle Wirkung gekennzeich-
getrocknet und zerkleinert, gefolgt von einer chemi- net. Die freien Aminogruppen verleihen Chitosan
schen Abtrennung der enthaltenen Proteine sowie eine gute Löslichkeit in verdünnten organischen Säu-
Mineralien und Pigmente. Aufgrund seiner stabilen, ren, wie Essig-, Milch- oder Zitronensäure. In gelös-
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