Page 79 - Forschungsbericht 2021 - Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik
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Promotion Dr.-Ing. Richard Protz


            Zum Einfluss von Defekten auf das dehnratenabhängige

            Werkstoffverhalten von Faser-Kunststoff-Verbunden


            Betreuender Hochschullehrer: Prof. Dr.-Ing. habil. Maik Gude



            Faser-Kunststoff-Verbunde  (FKV)  sind  aufgrund  ihres
            einstellbaren Energieabsorptionsvermögens für crash-
            belastete Leichtbaustrukturen prädestiniert. FKV können
            jedoch Defekte aufweisen, die während der Fertigung
            (Poren) und im Betrieb (Ermüdung) entstehen (Abb. 02).
            Der Einfluss derartiger Defekte, vor allem auf das dehn-
            ratenabhängige  Werkstoffverhalten,  ist  gegenwärtig
            noch unzureichend erforscht und kann ein Sicherheits-
            risiko darstellen. Daher wurden in dieser erfolgreich ab-
            geschlossenen Promotion (Abb. 01) die Entstehung und   Abb. 02   Beispiele für defektbehaftete FKV aus der Fertigung (links)
            Ausprägung von Defekten eingehend analysiert und ein   und im Betrieb (rechts).
            Schädigungsmodell zu deren mathematischen Beschrei-
            bung entwickelt.                                 Teil unabhängig voneinander auf, können sich aber auch
                                                             überlagern. Die Analyse des Einflusses von Defekten auf
                                                             das dehnratenabhängige Werkstoffverhalten unter Zug-
                                                             belastung bei verschiedenen Dehnraten zeigte eine zu-
                                                             nehmende Werkstoffdegradation mit ansteigenden Po-
                                                             renvolumengehalten und höherer Vorermüdung. Eine
                                                             Vorschädigung infolge interagierender Poren und Ermü-
                                                             dung verringert das dehnratenabhängige Werkstoffver-
                                                             halten nochmals deutlich.

                                                             Auf Basis der experimentellen Arbeiten wurde ein phä-
                                                             nomenologisches Adjunktives Schädigungs-Modell (ASM)
                                                             entwickelt,  mit  dem  das  dehnratenabhängige  Span-
            Abb. 01   Anwesende der Promotionskommission (v.l.n.r.): Prof.   nungs-Dehnungs-Verhalten  nominell  defektfreier  und
                   Ullrich, Prof. Gude, Dr. Protz (Promovend), Prof. Kyosev.  defektbehafteter FKV mathematisch beschreibbar ist. Die
                                                             Interaktion beider Defektarten wird dabei in geometri-
            Durch eine grundlegende Beschreibung der Entstehungs-  scher Betrachtungsweise als adjunktive ODER-Verknüp-
            mechanismen von Poren und der ermüdungsbedingten   fung der Defektparameter formuliert. Mit zunehmenden
            Defekte  wurden  Fertigungs-  und  Prüfmethodiken  zur   Defektgrößen und damit einhergehenden vermehrten
            definierten Defektinitiierung erarbeitet, die erstmals die   Defektinteraktionen kann so das dehnratenabhängige
            Untersuchung des Einflusses von separat und gemein-  Verformungsverhalten  präzise  prognostiziert  werden.
            sam auftretenden fertigungs- und betriebsbedingten De-  Im Ergebnis steht ein flexibler und praxisgerechter Mo-
            fekten auf das dehnratenabhängige Werkstoffverhalten   dellansatz zur Beschreibung des dehnratenabhängigen
            ermöglichen. Die Charakterisierung der eingebrachten   Werkstoffverhaltens zur Verfügung, dessen Übertragbar-
            Defekte mittels In-situ-Computertomographie unter Zug-  keit auf einen weiteren Verbundwerkstoff bereits erfolg-
            belastung zeigte, dass Poren in FKV mit niedrigen Poren-  reich nachgewiesen werden konnte.
            volumengehalten keinen Einfluss auf den Rissverlauf ha-
            ben. Bei höheren Porenvolumengehalten wirken Poren   Die gewonnenen Erkenntnisse leisten einen wesentli-
            dagegen als Rissstopper, können aber auch als Rissquelle   chen Beitrag für ein verbessertes Werkstoffverständnis,
            fungieren. Sind im Werkstoff gleichzeitig Poren und er-  die eine zukünftige defekttolerante Auslegung von FKV-
            müdungsbedingte Risse vorhanden, so treten diese zum   Strukturbauteilen ermöglicht.














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